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3sat, 30.08.21, 22:25 Uhr: Wer zahlt schon gerne Steuern? Also ist es gut, dass es Steuerparadiese in der Schweiz gibt, wo man Steuern vermeiden kann? Der Film geht dieser Frage nach - und hat gute Argumente dagegen. Luzia Schmid erzählt vom Aufstieg ihres Heimatortes Zug zu einer weltweit bedeutenden Steueroase. Auch ihre Familie wirkte an der profitablen Erfolgsgeschichte mit und genoss ihren Wohlstand. Doch Menschen in anderen Teilen der Welt zahlen den Preis dafür. Die Kindheit der Schweizer Filmemacherin Luzia Schmid war geprägt von dem tollkühnen wirtschaftlichen Aufstieg ihrer Heimatstadt, an dem ihre Familie teilhatte: der Vater als Treuhänder, die Schwester als Lokalpolitikerin. Beide sind stolz auf ihre Erfolge. Doch was den Zugern Reichtum bescherte, hatte Auswirkungen von internationaler Reichweite. Der Erfolg zog dubiose Wirtschaftsanwälte, Rohstoffhändler und Neubürger an, die den Verlockungen der jahrzehntelangen Steuersenkungen erlagen. Zug wurde zu einem Zentrum des weltweiten Rohstoffhandels und dadurch auch zu einem symbolischen Ort für die großen Ungerechtigkeiten dieser Welt. Was für negative Folgen die Ausbeutung der Rohstoffe in Drittweltländern wie Sambia hatte, führte keinen Mentalitätswandel herbei. Erstaunlich viele Zuger leben gut damit. Man lässt die Firmen gewähren. Aber man fand es empörend und juristisch wie moralisch verwerflich, als der ehemalige NRW-Wirtschaftsminister Walter-Borjans Schweizer Steuer-CDs aufkaufte und die Steuersünder stellte. Dieser Verdrängungsleistung spürt die Regisseurin als Icherzählerin nach. Sie wandelt sich im Verlauf des Films von einer persönlich betroffenen Zeugin zu einer distanziert-kritischen Beobachterin. Sie schärft ihren Blick für das große Ganze. Denn eine Steueroase funktioniert nicht für sich allein. Sie braucht Mitspieler von außen, und sie braucht den Wettbewerb. So erzählt der Film die Geschichte des internationalen Steuerwettbewerbes gleich mit: die Erfindung der ersten Briefkastenfirma, der Schutz des Bankgeheimnisses, die Entwicklung eines Off-Shore-Archipels. "Race to the bottom" nennt sich diese zerstörerische Bewegung, die mit den Steuerskandalen von Firmen wie Apple, Amazon und Starbucks in der Finanzkrise 2008 ihren Höhepunkt erreichte. Sie alle zahlen bis heute kaum irgendwo Steuern. Der Dokumentarfilm "Der Ast auf dem ich sitze - Ein Steuerparadies in der Schweiz" verknüpft Themen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, aber in einem engen Zusammenhang in unserem globalen Wirtschaftssystem stehen, das unser aller Leben bestimmt - und die Filmemacherin ist mittendrin. Sie sucht nach Antworten auf Fragen der Moral und Motivation. So wird ihr Film über den Aufstieg einer Schweizer Steueroase zur radikalen und subtilen Reflektion über Doppelmoral und kollektive Verdrängung. Es ist ein persönlicher Wirtschaftsfilm, auch für Menschen, die normalerweise den Wirtschaftsteil der Zeitungen überblättern. Zu Wort kommen Freunde der Filmemacherin und Zeitzeugen. Sympathische Menschen, die die Chance beim Schopf ergriffen, reich zu werden, und deren Ehrgeiz es ist, findiger als andere zu sein, wovon sie bis heute profitieren. Nach und nach öffnet sich der Blick, und die Politiker, die Kritiker und die Macher erzählen, wie sie den Aufstieg von Zug bewerkstelligt und erlebt haben. Luzia Schmid, geboren 1966, studierte in der Schweiz berufsbegleitend Journalismus. Nach mehreren Jahren beim Schweizer Rundfunk und Fernsehen als Moderatorin und Redakteurin studierte sie Regie an der Kunsthochschule für Medien in Köln, Fachbereich Film und Fernsehen. Seit 1997 ist sie freiberuflich tätig als Journalistin, Dokumentarfilmerin und als freie Dozentin im Bereich Medienarbeit. Luzia Schmid arbeitet und lebt in Köln. Der Film wurde 2021 mit einem Grimme-Preis in der Kategorie "Information und Kultur" ausgezeichnet.

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