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Die zweite Nase
Der russische Satiriker Bruno Jasieński persiflierte 1936, 100 Jahre nach der Veröffentlichung von Nikolaj Gogols Erzählung »Die Nase«, den deutschen Rassenwahn in der Figur eines nationalsozialistischen Professors für Rassenkunde, der eines Tages zu seiner vollkommenen Überraschung mit einer »jüdischen« Nase im Gesicht dasteht. Jetzt ist das Buch in deutscher Übersetzung erschienen.
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mauritius images /Nito/Alamy
Nikolaj Gogols 1836 erschienene Erzählung »Die Nase« könnte auch deswegen so heißen, weil sie allen Bemühungen, ihr einen tieferen Sinn zu verleihen, eine lange Nase dreht. Nichts passt da zusammen, ganz im Gegensatz zu Franz Kafkas »Die Verwandlung«, mit der sie oft verglichen wird. Mindestens vier Geschichten sind hier ineinandergeschichtet: die Geschichte vom ungeschickten Barbier, der eines Morgens eine Nase in sein Frühstücksbrot eingebacken findet und versucht, das unliebsame Stück in der Newa zu versenken, was einen Gendarmen auf den Plan ruft; die Geschichte eines Petersburger Beamten in Heiratsnöten, der eines Morgens erwacht und feststellt, dass er keine Nase mehr im Gesicht hat; die Geschichte einer Nase im Rang eines Staatsrats und in prächtiger Kleidung, die, scheint’s, Einkäufe auf dem Newskij-Prospekt erledigt und sich Dreistigkeiten verbittet, bis ihr freilich falsche Papiere zum Verhängnis werden; und die Geschichte der wiedergekehrten Nase, die zuerst nicht im Gesicht halten will und dann plötzlich doch wieder an der richtigen Stelle ist.